Philippinen

Sechs Wochen nach «Haiyan»: Leben und Tod in den Trümmern

publiziert: Montag, 23. Dez 2013 / 07:56 Uhr
Der Taifun «Haiyan» zerstäre zahlreiche Gebäude in den Philippinen. (Archivbild)
Der Taifun «Haiyan» zerstäre zahlreiche Gebäude in den Philippinen. (Archivbild)

Mehr als sechs Wochen nach dem verheerenden Taifun stehen die Menschen auf den Philippinen vor den Trümmern dessen, was einst ihr Alltag war. Aber um zu überleben, müssen sie nach vorn schauen - auch an Weihnachten.

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Freddie Boy Dubla sitzt auf einer umgestürzten Kokospalme, Wellen umspülen seine Füsse. Die Brise ist frisch, die Sonne scheint und einige Schwimmer tummeln sich im Meer. Der Strand von San Roque sieht aus wie das Paradies unter Palmen.

«Diese wunderschöne See brachte so schrecklichen Schmerz und Kummer», sagt der 22 Jahre alte Fischer. Als «Haiyan» am 8. November eine Schneise durch die Zentral-Philippinen und den Osten des Landes zog, zerstörte er auch das Küstendorf.

Mit mehr als 300 Stundenkilometern raste der Taifun heran und peitschte das Meer auf, das wie eine Betonwand auf die Küste der Provinz Leyte knallte. Dublas Eltern starben.

Vier Millionen ohne Obdach

Ein paar Meter weiter steckt ein Holzkreuz im Sand. Es ist die Stelle, an der Dubla seine Mutter begrub. Ihre Leiche wurde, wie viele andere, erst Tage nach der Katastrophe gefunden. Mehr als 6000 Menschen starben in den betroffenen Gebieten. Mehr als vier Millionen verloren ihr Zuhause.

«Wir alle verliessen das bedrohte Gebiet in der Nacht davor, doch meine Mutter lief zurück, ohne Bescheid zu geben», sagt Dubla. Sie habe wohl Geld vergessen und es noch holen wollen. «Wenn ich es gewusst hätte, wäre ich mitgekommen. Vielleicht wäre sie dann noch am Leben. Oder wir wären beide tot.» Eine Woche später wurde auchdie Leiche seines Vaters gefunden, sie kam in ein Massengrab.

Über sechs Wochen nach dem Taifun trauern die Überlebenden weiter um ihre Angehörigen. Gleichzeitig müssen sie ihr Leben, das in Trümmern liegt, wieder in den Griff bekommen.

Geschäfte kommen wieder in Gang

In Leytes Hauptstadt Tacloban hat das Geschäftsleben wieder eingesetzt. Erste Läden, Hotels, Restaurants und sogar eine Fast-Food-Kette haben aufgemacht. Bagger und Bulldozer räumen die Strasse frei.

Den Weg zum zerstörten Markt säumen Kleider- und Fruchtstände. Strassenhändler verkaufen alles Mögliche, von Handys über Pantoffeln bis zu Taschenlampen - vielerorts gibt es immer noch keinen Strom. Nach Sonnenuntergang hüllt Dunkelheit die 200'000-Einwohner-Stadt ein.

Verschwunden ist der Leichengestank, der kurz nach dem Taifun allgegenwärtig war. In den Trümmern hält sich aber der Geruch nach Fäulnis.

Die Leiche einer jungen Frau sei erst vor wenigen Stunden nahe seinem Haus gefunden worden, erzählt Leon Angello in San Roque. Der 70-Jährige, seine Familie und 20 Nachbarn seien auf das Hausdach gestiegen und dort geblieben, bis das Wasser sich zurückgezogen habe. Einen Bruder aber habe die Flut mitgerissen.

Zuerst einmal Strassenräumen

Vor Angellos Haus räumen Männer wie Gilberto Catindoy die Strasse frei. Der 41-jährige Bauarbeiter verlor im Taifun Vater und Haus. Aber er sei dankbar, dass seine drei Kinder überlebt hätten, sagt er.

«Es ist Zeit, weiterzumachen. Allein das Aufräumen hier wird wegen der Menge an Dreck noch eine Weile dauern.» Die Bagger kämen nicht in die Gassen. Der Taifun raubte Tausenden wie Catindoy die Lebensgrundlage, die Regierung und Hilfsorganisationen haben sie für die Strassenräumung engagiert.

Suche nach Vermissten

Michelle Maraya schaut immer wieder in die schwarzen Leichensäcke, die vor der San-Joaquin-Kirche abgelegt werden. Der Kirchhof ist nun eine Grabstätte. «Ich komme jeden Tag her in der Hoffnung, dass ich mit meinen zwei Kindern wiedervereint werde», erzählt sie.

Ihre vier Jahre alte Tochter und der zweijährige Sohn gelten mit der Grossmutter und einer Tante als vermisst. Von acht weiteren Verwandten weiss Maraya schon, dass sie im Taifun gestorben sind. «Ich höre sie immer noch 'Mama, Mama' rufen, als die dreckige Flut in unser Haus drang», sagt die 22-jährige Verkäuferin und wischt sich Tränen aus den Augen.

Zu Weihnachten wenigstens etwas für die Kinder

Eines macht die Menschen derzeit besonders traurig: das bevorstehende Weihnachtsfest. Nach einer Feier ist den wenigsten zumute.

«Ich glaube, wir werden Weihnachten eine lange Zeit lang nicht feiern können», sagt Pacita de la Cruz, die durch den Taifun 15 Angehörige verloren hat, darunter ihren ältesten Sohn, ihre Schwiegertochter und den dreijährigen Enkel. Jetzt lebt sie mit elf weiteren Verwandten in einer klapprigen Hütte.

In Tacloban packen Mitarbeiterinnen einer Hilfsorganisation Pakete aus mit Kleidung, Spielzeug, Biscuits, Heften und weiteren Schulutensilien. Die Geschenke sollen an Heiligabend an Kinder verteilt werden.

Helena Claire Catayong, eine der Helferinnen, sagt, sie wollten den Kindern wenigstens etwas Freude bereiten - inmitten all der Verzweiflung und Trostlosigkeit. «Unsere Kinder haben Fürchterliches erlebt. Sie haben eine Pause verdient, in der sie einmal von der Tragödie abschalten können.»

(ww/sda)

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