Angst vor Dammbruch in Ungarn
Budapest - Im ungarischen Dorf Kolontar kämpfen die Einsatzkräfte unter Hochdruck gegen die Gefahr einer neuen Giftschlammlawine. Ein neuer Auffangdamm soll eine erneute Welle aus dem geborstenen Becken eines Bauxitwerkes bei Ajka stoppen.
Mit einer Höhe von bis zu fünf Metern, einer Breite von 20 und einer Länge von 400 Metern soll das Bauwerk das Umweltdesaster in Grenzen halten. Der Katastrophenschutz teilte mit, dass in der Region insgesamt rund 900 Arbeiter und Experten sowie bis zu 800 Freiwillige bei Bau-, Räum- und Säuberungsarbeiten im Einsatz seien. Das Dorf Kolontar war bereits am Samstag vollständig geräumt worden. Die über 700 Bewohner wurden in Sicherheit gebracht.
40 Quadratkilometer Land überschwemmt
Am Montag war das das Abfallbecken der Ungarischen Aluminium-AG (MAL AG) geborsten. Fast eine Million Kubikmeter Bauxitschlamm waren ausgelaufen und hatten Kolontar und andere benachbarte Dörfer überschwemmt. Der natronlaugenhaltige Schlamm ist ein Abfallprodukt bei der Gewinnung von Reinbauxit, aus dem wiederum Aluminium gewonnen wird.
Sieben Menschen starben, 150 wurden von der Schlammbrühe verletzt. Insgesamt wurden rund 40 Quadratkilometer Land überschwemmt. Zudem floss der Giftschlamm über Wasserläufe in die Donau, in der er sich in der Folge weitgehend verdünnte. Das Unglück gilt als schlimmste Umweltkatastrophe in der Geschichte Ungarns.
Neue Risse entdeckt
In der Nacht zum Samstag waren in der Mauer des Unglücksbeckens neue Risse entdeckt worden. Bis zum Sonntag breiteten sich diese Beschädigungen nicht mehr weiter aus, teilte der Katastrophenschutz Sonntagfrüh mit.
Den unter Hochdruck arbeitenden Einsatzkräften könnte dies genügend Zeit geben, um den Auffangdamm in Kolontar rechtzeitig fertigzustellen. Experten der Technischen Universität in Budapest gingen am Wochenende davon aus, dass ein weiterer Dammbruch «sehr wahrscheinlich» sei.
Der Giftschlamm-Unfall bahnte sich nach Angaben der Umweltschutzorganisation WWF schon seit längerer Zeit an. Ein Luftbild vom Juni zeige, dass die Wände des Schlammbeckens bereits rund drei Monate vor der Umweltkatastrophe marode gewesen seien und Lecks aufgewiesen hätten, teilte die Organisation am Samstag mit.
«Das Giftschlamm-Desaster und die daraus erfolgte Verschmutzung von Flüssen - einschliesslich der Donau - hätten verhindert werden können», meinten die Umweltschützer.
«Neue Zeitrechnung»
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban stellte am Samstag Konsequenzen für die mutmassliche Fahrlässigkeit der Betreiber der Unglücksdeponie in Aussicht. Die Manager der MAL AG hatten jede Verantwortung zurückgewiesen.
«Diese Angelegenheit wird nicht einfach ausgebügelt werden, wie das sonst üblich sein mag», sagte Orban bei einem Besuch in Ajka. «Denn vor ein paar Monaten hat eine neue Zeitrechnung begonnen», fügte er in Anspielung auf den Regierungswechsel im Mai dieses Jahres hinzu.
Orbans Rechtskonservative hatten nach ihrem Wahltriumph im Monat zuvor die sozialistische Linke an der Macht abgelöst. Die Eigentümer der MAL AG, die von den Privatisierungen staatlicher Betriebe in den 1990er Jahren profitiert hatten, werden dem sozialistischen Oligarchen-Milieu zugerechnet.
(fkl/sda)
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